Foto: Manfred Thomas

Martina Willing hat Wort gehalten. Am Samstag verbesserte die blinde und querschnittsgelähmte Leichtathletin des SC Potsdam bei den Internationalen Deutschen Meisterschaften im Berliner Friedrich-Ludwig-Jahn-Stadion ihren eigenen Weltrekord im Kugelstoßen

der Schadensklasse F56 von 8,61 auf gleich 8,92 Meter. Bereits im Januar hatte die mittlerweile 52-Jährige, die im September in London ihren siebenten Paralympics-Start erleben wird, gegenüber den PNN erklärt: „Mit der Kugel bin ich schon so gut drauf, dass ich mir mit ihr im Sommer einen neuen Weltrekord ausrechne.“Ihre jetzige Steigerung um gleich mehr als 30 Zentimeter führt Willing – die in Berlin vor der Iranerin Saghinsara Sedghi (6,45 m in der F54) und der Berlinerin Marianne Buggenhagen (8,34 m in der F55) gewann – auf „viel und gutes Training und eine Umstellung meiner Technik“ zurück. „Ich habe gemeinsam mit meinem Trainer Wilfried Melzer technisch nur Kleinigkeiten verbessert und dadurch gemerkt, wie ich in geradeaussitzender Position weiter stoßen kann.“ Auch im Speerwerfen habe sie einiges ausprobiert, „aber da hat alles nicht funktioniert, so dass wir zu meiner alten Technik zurückgekehrt sind“, erzählt die in Brandenburg (Havel) beheimatete Athletin, die in London mit beiden Sportgeräten antreten will. Am Wochenende in Berlin hatte Willing – die in den vergangenen 20 Jahren bei insgesamt sechs Paralympics dreimal Gold, fünfmal Silber und viermal Bronze gewonnen hatte – den Speer nur 21,50 Meter weit geworfen. „Ich bin mit der Anlage dort überhaupt nicht klargekommen“, sagt sie. Mit 24,03 Metern hält Willing auch im Speerwurf den Weltrekord in der Schadensklasse F56, in diesem Jahr hatte sie die 22 Meter schon überboten.Mit der Kugel dagegen lief es bestens. Schon eine Woche zuvor bei einem Werfertag in Wittenberg hatte sie das Eisen 8,80 Meter weit gestoßen. „Das zählte aber nicht als Weltrekord, weil die nur bei bestimmten Wettkämpfen anerkannt werden“, so die Athletin des SCP. Für Berlin hatte sie auf eine Verbesserung ihrer Weltbestmarke um zehn bis 15 Zentimeter gehofft. „Mit einer Steigerung um mehr als 30 Zentimeter hatte ich aber überhaupt nicht gerechnet.“ Erfreulich für sie war auch ihre glänzende Serie. Sie lag mit allen sechs Versuchen vor dem Rest der Konkurrenz – vom ersten (8,47) bis zum letzten (8,72). Viermal übertraf sie dabei ihren bisherigen Weltrekord, die neue Bestmarke stieß sie im vierten Versuch.Viel Zeit zum Verschnaufen hat Martina Willing jetzt allerdings nicht – schon am kommenden Wochenende beginnen im niederländischen Stadskanaal die Europameisterschaften der behinderten Leichtathleten. Willing wird am kommenden Montag ins Nachbarland fahren und am Dienstag im Kugelstoßen antreten; zwei Tage darauf steht das Speerwerfen – bei dem sie den Titel will – auf dem EM-Zeitplan. Mit der Kugel sei sie trotz ihres neuen Weltrekords nicht automatisch Titelfavoritin, erklärt die beruflich als selbständige Compense-Bioenergetikerin tätige Sportlerin. „Bei den EM werden – ebenso wie bei den Paralympics – mehrere Schadensklassen zu einer Wertungsklasse zusammengefasst und andere Punkttabellen herangezogen. Daher ist es dann nicht so, dass automatisch der gewinnt, der die größte Weite erzielt hat.“ Natürlich sei es nicht schön, möglicherweise mit einem Weltrekord nur Zweite oder Dritte zu werden, gesteht Willing, die sich seit einigen Wochen mit einer Entzündung im Rückenbereich „ein Stück über meiner Lähmung“ herumplagt. Wichtig sei ihr aber vor allem, dass sie selbst mit ihrer Leistung zufrieden sei. „Und mit meinem derzeitigen Niveau sollte ich auch Medaillenchancen in London haben“, meint die alte und neue Weltrekordhalterin.
Quelle: PNN-Michael Meyer