Für Jörg Weber sind immer die ersten knapp fünf Sekunden am Start die wichtigsten. Wenn die von ihm betreuten Sportler in dieser Zeit möglichst schnell in den Schlitten sitzen und die Bahn hinabrasen,
weiß der Potsdamer, dass er daheim im Luftschiffhafen einen guten Job als Bob- Trainer geleistet hat. „Was dann während der Fahrt passiert, kann ich ja nicht beeinflussen“, sagt der 46-Jährige, der in Potsdam seit dem vergangenen Frühjahr als Olympiastützpunkttrainer Bob und verantwortlicher Stützpunkt-Coach zehn Anschieber in Form bringt. Mit Kevin Kuske, Andreas Barucha und Christian Poser kämpfen nun drei von ihnen bei den am Donnerstag beginnenden Heim-Weltmeisterschaften in Königssee um Edelmetall.
Kuske macht am kommenden Samstag und Sonntag im Zweierbob des Riesaers Thomas Florschütz den Anfang. „Eine Medaille ist drin“, glaubt der Modellathlet des SC Potsdam, der heute Vormittag nochmal im Luftschiffhafen trainiert, ehe er gemeinsam mit Poser nach Bayern fährt. „Welche Medaille, das sage ich nicht. Aber jeder weiß ja, welche ich will.“ Nach der Zwangspause bis Dezember durch die Rücken-Operation seines neuen Piloten Florschütz „haben wir uns immer besser zusammengefunden“, erzählt Kuske; bei den drei letzten Weltcups raste das Duo immer aufs Treppchen. „Und am Ende haben wir noch ein paar Reserven gefunden, die uns behilflich sein werden.“ Eine große Umstellung sei der Wechsel vom Oberhofer André Lange, der seine Laufbahn beendete, zu Florschütz nicht gewesen, meint der vierfache Olympiasieger. „Flori ist ein ähnlicher Typ wie André und fährt auch fast die gleiche Linie wie er.“ Beim heute früh beginnenden Bahntraining in Königssee wird der 32-Jährige zunächst durch den Chemnitzer Ronny Listner vertreten, ehe er selbst im 1240 Meter langen WM-Eiskanal mit Florschütz maximalen Anschub und maximale Fahrweise übt.
In der kommenden Woche will Kuske dann gemeinsam mit Listner und dem Potsdamer Andreas Barucha, die beide schon länger zu den Florschütz-Anschiebern gehören, auch im großen Schlitten um Edelmetall kämpfen. „Da ist auch eine Medaille möglich“, sagt der Sportsoldat, der im Vierer auf Position drei durch die 13 Kurven von Köningssee donnert – direkt vor Barucha, der erklärt: „Ich gebe das Startkommando, steige als Letzter ein, klappe die Bügel ein und muss den Bob im Ziel dann bremsen.“ Auch Barucha hofft, nach Gold in Lake Placid bei der WM 2009 im gemeinsamen (nicht-olympischen) Teamwettbewerb von Zweierbobs und Skeletons der Frauen und Männern nun in Königssee eine „richtige“ Medaille zu erkämpfen. „Es wäre meine erste, und bei einer Heim-WM wäre die besonders schön“, erklärt der 31-Jährige, der im Mai Vater wird und optimistisch Richtung Königssee blickt. „Das lange Warten auf unseren Saisoneinstieg nervte natürlich. Aber unser Pilot kommt jetzt immer besser in Fahrt, und beim Weltcup zuletzt in Cesana flog der Bob schon ordentlich vom Balken weg.“ Zuletzt im letzten Training habe jeder „kräftemäßig nochmal eine Schippe raufgepackt“, so Barucha. „Es wird immer besser.“
Während Kuske und Barucha schon alte Hasen im Bobsport sind, wird Christian Poser in Königssee seine ersten WM im Viererbob des neuen Potsdamer Piloten Manuel Machata erleben. „Ich war schon froh, mit ihm zu den Weltcups nach Übersee zu können und dort so gut abzuschneiden. Dass es schließlich auch mit dem WM-Ticket geklappt hat, freut mich um so mehr“ erzählt der 24-Jährige, der einst Sprinter des SC bei Trainer Frank Möller war, über 100 Meter 2003 Deutscher B-Jugend-Meister wurde und eine Bestzeit von 10,62 auf dem Konto hat. Seit 2008 ist er Bob-Anschieber, „und in dieser Saison hat alles optimal geklappt, da ich mit Jörg Weber einen Top-Trainer habe und jetzt bei der Bundeswehr bin, wodurch ich mich ganz auf meinen Sport konzentrieren kann.“ Wie sein Pilot Machata gehe er ohne großen Erwartungsdruck in die WM-Rennen. „Wir hoffen, dass alles gut klappt. Unsere Startzeiten stimmen, und wenn wir vier gute Läufe runterbringen, könnte auch eine Medaille möglich sein.“
Jörg Weber, für dessen Arbeit im neuen Amt Königssee die erste wirkliche Nagelprobe ist, erklärt Posers Leistungssprung in dieser Saison vor allem mit „Schnelligkeit und Explosionskraft durch seine Sprint-Vergangenheit und große Trainingsdisziplin“. Andreas Barucha habe akribisch auf die WM hingearbeitet und seine Vorjahres-Leistung wieder erreicht, ebenso wie Kevin Kuske, der nach Olympia durch viele öffentliche Termine verspätet ins Training eingestiegen sei. „Beim letzten Test in der vergangenen Woche über 30 Meter“, so Weber, „hat er seine eigene Bestleistung von 3,65 auf 3,61 Sekunden gedrückt.“ Was nun auf einen guten Start in Königssee hoffen lässt.
Michael Meyer, PNN